Land und Leute

Im folgenden Steckbrief sind viele offizielle und geschätzte Zahlen von renommierten Institutionen verwendet worden. So stammen einige Angaben vom Auswärtigen Amt, andere von der UNO oder von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW).
Im Jahr 2006 gab es in Haiti die erste Volkzählung nach 24 Jahren. Die Angaben zur Bevölkerung sind daher relativ gesichert.

Länderprofil Haiti
Das Land
Bildungssituation
Schulraum und Schulabschluss

         









Länderprofil Haiti

Staatsname

République d`Haiti, Repiblik Dayiti, Republik Haiti

Staatsform

Republik

Grenzen

Zentralamerika Westteil von Hispaniola im Karibischen Meer, den östlichen Teil der Insel nimmt die Dominikanische Republik ein

Sprache

Französisch; Créole (Haiti)

Religion

ca. 80% Katholiken, 15% Protestanten, 5% sonstige Religionsgemeinschaften, Voodoo-Kult (weitverbreitet)

Altersstruktur

0-14 J = 38,0% (D:14,0%)   15-64 J = 58,0% (D:67,0%)   älter 65 J = 4,0% (D:19,0%)

Kindersterblichkeit

62/1000 Einwohner (D: 4/1000 Einwohner)

Alphabetismus

55% - 90% Analphabeten

Bevölkerung unter Armutsgrenze

über 65%

Arbeitslosigkeit

ca. 50%

Bevölkerungswachstum

1,8%

Schätzung 2008

8,9 Mio.

Einwohner auf 27.750 km²

ca. 322 Einwohner/km²

Hauptstadt

Port-au-Prince

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Das Land

Haiti war schon vor dem Erdbeben das ärmste Land Amerikas. Zu seiner schwachen wirtschaftlichen Lage kam eine große politische Instabilität mit zahlreichen Unruhen sowie geringe Bildungschancen. Auch deshalb sind im letzten Jahrzehnt über drei Millionen Haitianer ausgewandert.

Schon vor dem Erdbeben konnte Haiti sich nicht selbst ernähren und war auf Nahrungsmittelimporte angewiesen, obwohl mehr als die Hälfte aller Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig war.
Nach dem Erdbeben hat sich die Situation noch verschärft. Große Teile des Großraums Port au Prince, in dem etwa ein Drittel der Bevölkerung wohnte, sind nicht mehr bewohnbar. Die Überlebenden aus dem Erdbebengebiet sind zum Teil in andere Landesteile geflohen, wo sie vielfach von den Einwohnern aufgenommen wurden, aber nicht dauerhaft versorgt werden können.
Die medizinische Versorgung in Haiti war immer schon völlig unzureichend. Nun kommt erschwerend hinzu, dass Haiti seit dem Erdbeben vermutlich mit die höchste Quote an körperbehinderten Einwohnern hat, die auch langfristig medizinisch betreut werden müssen und für die viele Arbeiten nicht mehr möglich sind.
Im Unterschied zur Dominikanischen Republik gibt es in Haiti keinen Tourismus. Die gesamte Infrastruktur des Landes (Gesundheitssystem, Straßennetz, Telefonverbindungen, Wasser- und Energieversorgung etc.) ist kaum vorhanden und funktioniert nur sehr eingeschränkt. Große Gebiete im Erdbebengebiet müssen vollständig neu aufgebaut werden. Aus diesem Grund wird ernsthaft überlegt, Port au Prince mit seinen ehemals ca. zwei Millionen Einwohnern aufzugeben und an einer weniger gefährdeten Stelle neu aufzubauen. Ob und wie dies geschehen soll ist zur Zeit unklar und noch nicht entschieden.
Neben der ständigen Gefahr durch Erdbeben liegt Haiti zudem im Bereich tropischer Wirbelstürme. In den letzten Jahren wurde das Land wiederholt von anhaltenden, starken Niederschlägen heimgesucht, in Folge derer es zu schweren Überschwemmungen kam. Die Hochwasser- und Schlammfluten forderten vermutlich mehrere tausend Todesopfer. Zahlreiche Häuser und ganze Ortschaften wurden von den Wassermassen weggerissen oder von der Außenwelt abgeschnitten, mehrere zehntausend Haitianer obdachlos. Eine der Hauptursachen für die katastrophalen Auswirkungen ist die Bodenerosion, die ihre Ursache in der Abholzung der Wälder hat.
Die langfristigen Folgen des Erdbebens sind zur Zeit noch nicht vollständig abzuschätzen. Es ist jedoch sicher, dass Haiti die katastrophale Situation nicht ohne massive und langfristige Hilfe von außen bewältigen kann.
Denn Haiti fängt nicht mal bei null an, da die vormals schon schlechten Strukturen in der Politik und der Verwaltung jetzt kaum noch vorhanden sind.
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Die Bildungssituation in Haiti

Aktuelle Situation im Land
Der Alphabetisierungsgrad ist in Haiti der niedrigste in ganz Lateinamerika. Ein Großteil der Bevölkerung - die Zahlen schwanken zwischen 55% und 90% - sind Analphabeten, die weder schreiben noch lesen können.

Schulsituation
In Haiti war die Schulausbildung schon vor dem Erdbeben sehr schlecht. Zwar schrieb der Staat eine Schulpflicht bis zur sechsten Klasse vor, doch stellte er nur etwa 35% der benötigten Plätze an öffentlichen Schulen zur Verfügung. Die meisten davon in oder um die Hauptstadt Port-au-Prince, also im vom Erdbeben betroffenen Gebiet. Mehr als die Hälfte der schulfähigen Kinder außerhalb der Städte in Haiti besuchen keine Schule. Weit mehr als 50% der Erwachsenen auf dem Lande können nicht einmal ihren Namen schreiben. Weniger als 3% beenden die Sekundarschule, die neben einer universitären Ausbildung die Voraussetzung für einen Besuch der technischen Schule, des Lehrerkollegs oder der Krankenschwester-/Krankenpflegerausbildung ist. Diese Berufe sind sehr wichtig für die Dörfer. Sie können in den meisten Fällen nur durch ehemalige Einwohner des Dorfes besetzt werden, da die familiären Bindungen in den Dörfern sehr hoch sind. Es ist sehr schwierig, qualifizierte Personen ohne diese Bindungen für ein Dorf zu gewinnen, sodass die Sekundarschulen im ländlichen Bereich ein Schlüssel für die Entwicklung der Orte sind. Es gibt eine große Zahl privater und kirchlicher Schulen. Diese Schulen stellen etwa 35-40% der Schulplätze im Primarbereich. Viele privat betriebene Schulen, vor allem in den wohlhabenderen Stadtteilen der größeren Städte, werden aus rein ökonomischen Gründen betrieben, indem über ein hohes Schulgeld Geld verdient wird. Im ländlichen Bereich gibt es neben den staatlichen Schulen nahezu ausschließlich kirchliche Schulen. Andere private Schulträger sind eine Seltenheit. Die katholische Kirche ist der größte private Schulanbieter. Da es ein vom Staat vorgegebenes Curriculum gibt und Prüfungen zentral abgenommen werden, ist halbwegs sichergestellt, dass die Unterrichtsstoff in den verschiedenen Fächern an allen Schulen der gleiche ist. Bei nahezu allen nichtstaatlichen Schulen muss ein Schulgeld bezahlt werden.
In Haiti gibt es ausreichend staatlich anerkannte Lehrer. Da an den meisten staatlichen Schulen das Gehalt nur unregelmäßig und oft mit großer Verzögerung ausgezahlt wird, sind die Lehrer oft gezwungen, sich zusätzlich eine andere Erwerbsmöglichkeit zu suchen. Dies ist im ländlichen Raum sehr schwierig. Deshalb lehnen viele Lehrer die Arbeit an staatlichen Schulen außerhalb der großen Städte ab. Bei kirchlichen Schulen, kirchlich verwalteten Schulen und anders privat geführten Schulen, an denen die Gehälter pünktlich ausgezahlt werden, ist es kein Problem, eine ausreichende Zahl an geeigneten Lehrkräften einzustellen.
Die staatlichen Schulplätze sind zwar kostenlos, doch müssen die Eltern eine Schuluniform und die Bücher selbst bezahlen. Die Kosten für die Bücher sind ähnlich hoch wie in Deutschland. Kinder, die sich keine Bücher leisten können, werden ohne Bücher unterrichtet, das heißt, sie hören dem Unterricht nur zu, ohne eigene Unterrichtsmaterialien zu haben. Ihre Leistungen bei den zentralen Prüfungen sind deshalb meist schlechter. Diese schlechten Leistungen wirken sich auf die Statistik der Schule aus. Wenn die Schüler einer Schule mehrere Jahre hintereinander schlechte Leistungen bei den Zentralprüfungen erreichten, verliert die Schule ihr Zertifikat, das heißt, dass sie keine Zentralprüfungen mehr abnehmen darf und deshalb ihre Schüler keinen Schulabschluss mehr erreichen können. In Schulen mit einem hohen Anteil von Kindern aus armen Familien haben viele Kinder keine Bücher und es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Schule ihr Zertifikat verliert. Viele staatliche Schulen, vor allem im ländlichen Bereich, werden nur bis zur dritten oder vierten Klasse geführt, da sie ihr Zertifikat verloren haben.
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Schulraum und Schulabschluss

Viele Schulen in Haiti sind in einem schlechten baulichen Zustand. In Ermangelung von Schulgebäuden findet der Unterricht oft in angemieteten Wohnhäusern, Kirchen oder anderen Provisorien statt. Hier gibt es häufig nicht einmal Tische und so gut wie keine Unterrichtsmaterialien.

In Haiti gibt es Kindergärten und Vorschulen. Die Primarstufe geht bis zur sechsten Klasse. Die Klassen 7-10 gelten als Mittelstufe und die Klassen 11-13 sind die Oberstufe. Mittel- und Oberstufe zusammen bilden die Sekundarstufe. Während in der Primarschule nach dem Klassenlehrerprinzip unterrichtet wird, wird der Unterricht ab der 7. Klasse von Fachlehrern übernommen.
Der Abschluss der Mittelstufe ist Voraussetzung für das Erlernen eines qualifizierten Berufes. Für andere Berufe ist die Oberstufe Voraussetzung, zuweilen jedoch nur ein oder zwei Jahre der Oberstufe. So ist die Qualifikation für die Ausbildung zum Primarstufenlehrer ein Abschluss nach der Klasse 11. Die Ausbildung findet in einer Schule für angehende Lehrer statt. Hier werden die zukünftigen Lehrer in allen Fächern und im Vermitteln von Unterrichtsinhalten geschult. Lehrer der Mittel- und Sekundarschule müssen 4 Jahre lang eine Universität besuchen.
Seit 2008 wird an einigen Schulen ein Pilotprojekt durchgeführt, die einen Sekundarschulabschluss nach der 12. Klasse vorsieht. Ob dies in einigen Jahren zum landesweiten Standard wird, ist noch nicht entschieden.
Durch das Erdbeben vom 12.1.2010 sind etwa 4000 Schulen zerstört oder beschädigt. Tausende Schüler und Lehrer sind dabei umgekommen. Ab Ende März haben die ersten Schulen wieder mit dem Unterricht begonnen. Viele Schüler haben jetzt keinen Schulplatz mehr, weil ihre Schule zerstört ist oder weil sie und der Schulhof als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. Da viele Betroffene Verwandte außerhalb des Erdbebengebietes haben, sind sie dorthin geflohen mit der Hoffnung auf Unterkunft und einen Schulplatz für die Kinder.
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