Schulsituation
In Haiti war die Schulausbildung schon vor dem Erdbeben sehr schlecht. Zwar schrieb
der Staat eine Schulpflicht bis zur sechsten Klasse vor, doch stellte er nur etwa 35%
der benötigten Plätze an öffentlichen Schulen zur Verfügung. Die meisten davon in oder
um die Hauptstadt Port-au-Prince, also im vom Erdbeben betroffenen Gebiet. Mehr als die
Hälfte der schulfähigen Kinder außerhalb der Städte in Haiti besuchen keine Schule. Weit
mehr als 50% der Erwachsenen auf dem Lande können nicht einmal ihren Namen schreiben.
Weniger als 3% beenden die Sekundarschule, die neben einer universitären Ausbildung die
Voraussetzung für einen Besuch der technischen Schule, des Lehrerkollegs oder der
Krankenschwester-/Krankenpflegerausbildung ist. Diese Berufe sind sehr wichtig für
die Dörfer. Sie können in den meisten Fällen nur durch ehemalige Einwohner des Dorfes
besetzt werden, da die familiären Bindungen in den Dörfern sehr hoch sind. Es ist sehr
schwierig, qualifizierte Personen ohne diese Bindungen für ein Dorf zu gewinnen, sodass
die Sekundarschulen im ländlichen Bereich ein Schlüssel für die Entwicklung der Orte sind.
Es gibt eine große Zahl privater und kirchlicher Schulen. Diese Schulen stellen etwa 35-40%
der Schulplätze im Primarbereich. Viele privat betriebene Schulen, vor allem in den
wohlhabenderen Stadtteilen der größeren Städte, werden aus rein ökonomischen Gründen
betrieben, indem über ein hohes Schulgeld Geld verdient wird. Im ländlichen Bereich gibt
es neben den staatlichen Schulen nahezu ausschließlich kirchliche Schulen. Andere private
Schulträger sind eine Seltenheit. Die katholische Kirche ist der größte private Schulanbieter.
Da es ein vom Staat vorgegebenes Curriculum gibt und Prüfungen zentral abgenommen werden, ist
halbwegs sichergestellt, dass die Unterrichtsstoff in den verschiedenen Fächern an allen Schulen
der gleiche ist. Bei nahezu allen nichtstaatlichen Schulen muss ein Schulgeld bezahlt werden.
In Haiti gibt es ausreichend staatlich anerkannte Lehrer. Da an den meisten staatlichen Schulen
das Gehalt nur unregelmäßig und oft mit großer Verzögerung ausgezahlt wird, sind die Lehrer oft
gezwungen, sich zusätzlich eine andere Erwerbsmöglichkeit zu suchen. Dies ist im ländlichen Raum
sehr schwierig. Deshalb lehnen viele Lehrer die Arbeit an staatlichen Schulen außerhalb der großen
Städte ab. Bei kirchlichen Schulen, kirchlich verwalteten Schulen und anders privat geführten Schulen,
an denen die Gehälter pünktlich ausgezahlt werden, ist es kein Problem, eine ausreichende Zahl an
geeigneten Lehrkräften einzustellen.
Die staatlichen Schulplätze sind zwar kostenlos, doch müssen die Eltern eine Schuluniform und die
Bücher selbst bezahlen. Die Kosten für die Bücher sind ähnlich hoch wie in Deutschland. Kinder, die
sich keine Bücher leisten können, werden ohne Bücher unterrichtet, das heißt, sie hören dem Unterricht
nur zu, ohne eigene Unterrichtsmaterialien zu haben. Ihre Leistungen bei den zentralen Prüfungen sind
deshalb meist schlechter. Diese schlechten Leistungen wirken sich auf die Statistik der Schule aus.
Wenn die Schüler einer Schule mehrere Jahre hintereinander schlechte Leistungen bei den Zentralprüfungen
erreichten, verliert die Schule ihr Zertifikat, das heißt, dass sie keine Zentralprüfungen mehr abnehmen
darf und deshalb ihre Schüler keinen Schulabschluss mehr erreichen können. In Schulen mit einem hohen
Anteil von Kindern aus armen Familien haben viele Kinder keine Bücher und es ist nur eine Frage der Zeit,
wann die Schule ihr Zertifikat verliert. Viele staatliche Schulen, vor allem im ländlichen Bereich, werden
nur bis zur dritten oder vierten Klasse geführt, da sie ihr Zertifikat verloren haben.
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